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09. September 2004 Druckversion | Versenden | Leserbrief
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PÄRCHEN-PLAGE

Wenn alles nur noch schön ist

Achtung, Pärchen-Alarm! Sie löffeln "Coppa d'amore" und kuscheln auf Wolldecken. Die traute Zweisamkeit ist eine soziale Plage - die Hamburger Studentin Judith Liere platzt vor Wut und Neid, wenn Verliebte immer direkt vor ihren Augen knutschen.

Wodka und Dosenravioli statt Rotwein und Ratatouille: die Autorin, allein
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ARABELLE SCHWARZKOPF / AGENTUR ANZENBERGER
Wodka und Dosenravioli statt Rotwein und Ratatouille: die Autorin, allein
Manchmal wünschte ich, der Sommer wäre schon vorbei. Es gibt etwas, was mir diese Jahreszeit immer wieder aufs Neue verdirbt: Pärchen. Im Sommer verlassen sie ihre Sofas und Betten und gehen raus zum Knutschen. Am liebsten tun sie das direkt vor meinen Augen. Wälzen sich in Parks auf mitgebrachten Picknickdecken, sitzen in Eiscafés und füttern sich gegenseitig vom "Coppa d'amore", dem Eisbecher für zwei, bleiben auf der Straße Händchen haltend stehen und schauen sich verliebt an, wenn ein Kinderwagen vorbeirollt.

Und führen mir damit ständig vor Augen, dass jeder Mensch hier anscheinend seinen perfekten Gegenpart gefunden hat. Außer mir.

Ich weiß, dass es äußerst unsexy ist, sich als frustrierte Einzelperson über glückliche Paare zu empören. Aber an manchen Tagen schreit es geradezu aus mir heraus: "Pärchen verpisst euch, keiner vermisst euch!"

Kuscheln unterm Plaid

Ja, verdammt, natürlich bin ich gefrustet. Als Alleinstehende steht man eben oft allein da. Beispielsweise im Supermarkt. Gern am Samstagvormittag. Wo man dann niemanden hat, dem man zurufen kann: "Schatz, wir könnten doch heute abend mal wieder schön Ratatouille kochen. Wir haben doch noch den schönen Wein von Ulla und Klaus im Regal. Das wäre doch mal eine schöne Gelegenheit." Dann werfen sie zwei Packungen "Tricolor-Paprika-Mix" in ihren gut gefüllten Einkaufswagen, während ich die "Ein Teller"-Raviolidose in mein Körbchen neben die Wodkaflasche lege.

Bei Pärchen ist immer alles schön. Und immer Wein. Und immer gibt es befreundete Pärchen, mit denen man abends schön zusammenhockt, schön kocht, schön Wein trinkt.

Man geht ja auch nicht mehr aus, abends, als Pärchen. Lieber schön vorm Fernseher sitzen, auf dem Sofa, zu zweit gekuschelt unter einem schönen "Plaid", das man gemeinsam samstags bei Habitat gekauft hat. "Guck mal, Schatz, wie schön, ein Plaid, da können wir uns abends schön beim Fernsehen drunterkuscheln." Manchmal leihen sie auch ein Video aus, gern eine romantische Komödie, am liebsten mit Meg Ryan.

Steter Kampf mit dem Hüftgold

Ausgehen ist was für Menschen, die auf der Suche sind. Menschen wie mich. Bei denen ist nichts schön. Bei denen heißt es samstags nachmittags ganz dreckig schwitzen im Fitness-Studio, denn mit dem Hüftgold kriegt man garantiert keinen ab. Danach verbringt man zwei harte Stunden im Bad, um sich als begehrenswerteste Frau dieser Nacht zu verkleiden. Dabei kann man das erste Bier gebrauchen. Wein ist ja für Pärchen. Allerdings macht Bier dick, also doch lieber Wodka. Prost.

Anpirschen und zubeißen: Das immergleiche Spiel
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DDP
Anpirschen und zubeißen: Das immergleiche Spiel
Wenn es dann endlich ein Uhr ist, kann man das Haus verlassen. Ich bin zwar noch nicht so weit, dass ich auf Single-Partys gehen würde, aber eigentlich hat jeder beliebige Club an einem Samstagabend diesen Beigeschmack. Die Pärchen sind ja zu Hause auf dem Sofa. Die Leute in den Clubs haben diesen gierigen Blick und kennen das ganze Jagdverhalten. Dieses ganze armselige Auschecken, Anpirschen, Ansetzen, Zubeißen, Auffressen, Verdauen, Nachhausegehen. Und am nächsten Morgen wieder die Gewissheit, das völlig Falsche gegessen zu haben. Nicht schön, das alles. Gar nicht schön. Schön ist anders.

Pärchen hingegen wachen sonntags auf, knutschen trotz Mundgeruch, haben schönen Morgen-Sex und schlafen dann noch mal ein. Danach gibt es entweder schön Frühstück im Bett, oder sie gehen schön brunchen. Sie machen die Tür ihrer schönen Dreizimmerwohnung auf und gehen Hand in Hand auf die Straße.

Vorbei an einer verkaterten Alleinstehenden, die in die viel zu helle Sonne blinzelt und gerade aus irgendeiner fremden Wohnung mit verschmierter Mascara auf dem Weg in ihr Einzimmerapartment ist. Und einfach nur neidisch ist. Auf ihr Glück.

Hoffentlich kommt bald der Winter, und sie verziehen sich wieder vor ihre Kaminfeuer. Die Idioten.

JUDITH LIERE, 24, STUDIERT GERMANISTIK IN HAMBURG.
 
© UniSPIEGEL 4/2004
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